Wissen zu Nachhaltigkeit für alle: Menschen laufen gemeinsam in die gleiche Richtung

Von deutscher Bräsigkeit, Perfektionspassion und Innovationsskepsis: Wieso Sustainability Skills der Treibstoff einer zukunftsfähigen Wirtschaft sind

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Eigentlich wissen wir es alle längst: Deutschland muss in allen Lebensbereichen nachhaltiger werden – vor allem in der Wirtschaft. Allerdings stehen wir uns bei diesem Thema seit Jahren selbst im Weg. Der einfache Grund: Die meisten Menschen wissen immer noch zu wenig über Nachhaltigkeit und kompensieren ihre Unsicherheit mit einer Mischung aus bürokratischer Planungsperversion und Innovationsskepsis. Wie kommen wir dagegen an? Indem wir praxisnahes Wissen zum Thema genau da verankern, wo es am meisten Wirkung zeigen kann: in den Belegschaften der Unternehmen – über alle Hierarchieebenen hinweg. Denn nur wenn alle mit im Boot sind, können wir nachhaltige Denk- und Verhaltensweisen zum neuen Standard der deutschen Wirtschaft machen.

Das Thema Nachhaltigkeit ist vollends in der Mitte der Gesellschaft angekommen und das Bewusstsein für das Thema allgegenwärtig. Das zeigte nicht nur die Bundestagswahl im vergangenen Jahr, Verbraucher:innen signalisieren es auch mit ihrem Konsumverhalten: Immer mehr Menschen achten darauf, ob Produkte nachhaltig und fair produziert sind – 2021 war dies schon für rund 16 Millionen Menschen kaufentscheidend. Auch die Zulassungen von E-Autos nimmt rapide zu: Laut Statista waren im Oktober 2021 rund 517.000 batterieelektrische und 494.000 Plug-in-Hybride-Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs – zusammengenommen gut eine Million und damit so viele wie nie zuvor. Aktuell erhält das Thema nachhaltige Mobilität angesichts kriegsbedingter Ölverknappung natürlich zusätzlichen Auftrieb. Doch bereits im Februar registrierte der ADAC 54,9 Prozent mehr Neuzulassungen von E-Autos als noch im Vergleichsmonat vor einem Jahr – das Wachstum ging dem fürchterlichen Krieg also voraus.

Mehr als ein Konsumthema: Nachhaltigkeit wird zur grundlegenden Business-Anforderung

Nachhaltigkeit ist aber nicht nur für Verbraucher:innen ein Thema. Sie ist auch eine immer stärkere Anforderung an Unternehmen, die durch den Markt, Partner:innen, Investor:innen, Bewerber:innen und die Gesetzgebung eingefordert wird. Schon 2020 gaben 73 Prozent der befragten Führungskräfte in einer Accenture Studie an, dass die „Entwicklung zu einem wirklich nachhaltigen und verantwortungsvollen Unternehmen“ bei ihnen in den nächsten drei Jahren oberste Priorität habe[1] – gut die Hälfte der Zeit ist bereits verstrichen, der großangelegte Wandel lässt noch auf sich warten. Doch spätestens durch die Auswirkungen des Ukrainekrieges erhalten Forderungen nach nachhaltigeren Unternehmensausrichtungen derzeit wohl mehr Gehör als je zuvor. So wird eine nachhaltigere Wirtschaft zurecht als resilienter eingestuft – etwa durch geringere Rohstoff- und Energieabhängigkeiten.

Doch leider ging ein anderes, wirklich schlagkräftiges Argument in der medialen Berichterstattung Ende Februar fast unter: Der am 28.02.2022 veröffentlichte Bericht des Weltklimarats zeigt auf, dass nach heutigem Stand bereits die Hälfte der Weltbevölkerung durch die Folgen der Klimakrise existenziell bedroht ist – da sollte uns allen klar sein: Es ist höchste Zeit, zu handeln. Der Bundesrechnungshof unterstreicht diese Forderung mit einer kürzlichen Bewertung deutscher Klimaschutzpolitik: Sie sei bisher weitgehend noch zu wirkungslos – eine schnelle Neuausrichtung wird gefordert. Umso mehr sind eben auch Betriebe und Konzerne genau jetzt in der Pflicht, schnellstmöglich eigenverantwortliche Anstrengungen zur Nachhaltigkeitstransformation zu unternehmen. Wenn sie sich aber wirklich zukunftsfit aufstellen und Nachhaltigkeitsansätze verfolgen wollen, müssen sie dies unbedingt ganzheitlich angehen und noch mehr als nur die grünen Themen ins Visier nehmen. Halbherzige Initiativen, die zwar kühn aus Vorstandsetagen verkündet, aber nicht mit der gesamten Belegschaft und vor allem nicht im Sinne eines umfassenden Nachhaltigkeitsverständnisses gelebt werden, liefern nur scheinheilige Resultate. Die Zeit der grünen Lippenbekenntnisse ist vorbei!

Mehr als Umweltschutz: Nachhaltigkeit geht über ökologische Dimensionen hinaus

Was viele Menschen in diesem Zusammenhang nämlich noch verinnerlichen müssen: Nachhaltigkeit ist noch weit mehr als Umwelt- und Klimaschutz. Schon in meinem letzten Beitrag zum Thema habe ich als Referenzrahmen für den Begriff auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verwiesen. Ich behaupte mal, seitdem ich mich vor vier Monaten zum Thema geäußert habe, hat sich verschwindend wenig an der allgemeinen Kenntnis der Sustainable Development Goals geändert: Teil dieser Ziele sind zwar Aspekte, die ökologische und ökonomische Themen in sich vereinen – wie zum Beispiel Ressourcenschonung, Recycling, Kreislaufwirtschaftsmodelle – und die auch ihre Berechtigung haben. Hinzu kommen aber eben auch soziale Aspekte, die auf Geschlechtergleichheit, Mitbestimmung, Arbeitsrechte bis hin zu Prinzipien guter Unternehmensführung leiten. Für Unternehmen bedeutet ein entsprechend weites Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffs, also nicht nur Produkte mitsamt Produktionsprozessen und Dienstleistungen nachhaltig zu entwickeln, sondern auch ihr Geschäftsmodell grundsätzlich nachhaltig zu gestalten – wie immer gilt: weg vom Silodenken hin zu einem 360-Grad-Ansatz! Und wie soll das bitte schön gehen? Indem Entscheider:innen zunächst ein ganzheitliches Bewusstsein für die Vielschichtigkeit von Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen verankern.

Mehr als Strategiepapiere: Wir kommen an 360-Grad-gelebter Nachhaltigkeit nicht vorbei

Immerhin sind Absagen für Finanzmittel, wenn es um wirksame Maßnahmen gegen die anderen großen Krisen unserer Zeit geht, spätestens jetzt schlicht unglaubwürdig. Wir sehen doch, dass es geht. Aber muss die Lage dafür wirklich immer erst so stark eskalieren? Klar, die Klimakrise ist nicht so greifbar wie ein kriegerischer Überfall in einem europäischen Nachbarland – dennoch wünsche ich mir etwa im Kampf gegen die Erderwärmung ganz ähnlich entschlossene Maßnahmen, wie wir sie aktuell in Bezug auf den Ukrainekrieg erleben. Tatsache ist doch, uns bleiben nicht mehr viele Jahre, um die kritische Marke von 1,5-Grad zu halten. Diese Bedrohung für unsere Zukunft ist, wenn auch aktuell in Mitteleuropa noch weniger spürbar, doch absolut real – und darf auf keinen Fall weiter unterschätzt werden. Erst kürzlich machte auch der aktuelle Statusbericht des Weltklimarats klar, wie brenzlig die Lage bereits ist: Schon heute seien bis zu 3,6 Milliarden Menschen durch die Folgen des Klimawandels „hochgradig gefährdet“.  Wir müssen daher wirklich um jedes Zehntel-Grad Temperaturerhöhung kämpfen – zu dramatisch sind die Auswirkungen, wenn wir es nicht tun.

Was mir nämlich durchaus Sorgen bereitet: Denken die Regierenden bei aktuellen Entscheidungen auch zu Genüge an die Auswirkungen für die nächsten Generationen? Keine Frage, diese Krise übertrifft alles, womit wir uns in den vergangenen Jahren in Deutschland und Europa auseinandersetzen mussten. Und doch würden wir unter anderen Umständen natürlich alles, was aktuell in Panzer investiert werden muss, viel lieber in Bildung, Klimaschutz, Digitalisierung – kurzum in die Zukunft – stecken. Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich ist unsere Sicherheit wichtig und auch ich wünsche mir, dass meine Kinder in einem friedlichen Land aufwachsen. Doch können wir das durch finanz- und energiepolitische Schnellschüsse wirklich am besten gewährleisten? Uns muss doch Besseres einfallen, als politisch zurück in die Vergangenheit zu reisen.

Ganz-oder-gar nicht-Mentalität und unnötige Skepsis: So stehen wir uns selbst im Weg

Allerdings zeigt sich beim Thema Nachhaltigkeit ein typisch deutsches Verhalten: Bevor große Herausforderungen praktisch angegangen werden, wollen wir DIE ideale Lösung finden und die Herangehensweise bis zur Perfektion durchplanen – Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach sich völlig zurecht erst kürzlich im Kontext der Energieversorgungssicherheit gegen diese „deutsche Bräsigkeit“ aus. Ironischerweise ist es nämlich genau, diese Einstellung, die Veränderungen und innovative Ideen für eine nachhaltigere Zukunft maßgeblich hemmt. Und Unternehmen, die Schritt für Schritt erste Maßnahmen und Strategien zur Nachhaltigkeitstransformation auf den Weg bringen wollen, befürchten häufig mit dem Vorwurf des Greenwashings konfrontiert zu werden – und bleiben deshalb lieber auf bekannten Wegen. Das ist doch absurd!

Für Innovations- bzw. Pioniergeist, wie wir ihn weltweit in den letzten 20 bis 30 Jahren im Bereich Digitalisierung sehen konnten, fehlt bei Sustainability offenbar der Nährboden. Zum Vergleich: Digitale Innovationen werden gefeiert, das Silicon Valley ist Kult und der überschwappende Erfindergeist zeigt sich in zahlreichen Tech-Start-ups und Neugründungen in den vergangenen Jahren. Wir müssen diese „Einfach machen“-Mentalität der digitalen Transformation auch auf die Nachhaltigkeitstransformation übertragen. Das Ziel lautet Nachhaltigkeit – der Weg dorthin Veränderung. Und dies umso mehr, je deutlicher die bisherigen Wege eines ressourcenintensiven und globale Ungleichheiten fossierenden Wirtschaftens in die Sackgasse führen. Veränderung fängt immer mit einem ersten Schritt an: mit Zugang zu Wissen und neuen Kompetenzen, die jeden Wandel erst Stück für Stück möglich machen.

Der Ausweg: Jede:r kann und sollte Nachhaltigkeit lernen!

Feststeht also: Wer nachhaltige Ideen in seinem Betrieb fördern möchte, muss ein nachhaltiges Mindset im gesamten Unternehmen etablieren und dabei alle Beschäftigten ins Boot holen. Doch jedes Unternehmen und jede Branche steht vor sehr individuellen Herausforderungen. Durch den großen gesellschaftlichen Druck, der auf dem Thema Nachhaltigkeit liegt, braucht es also als Fundament für weitere Schritte ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten. Genau aus diesem Grund haben wir kürzlich gemeinsam mit unserem Partner ClimatePartner ein passendes Weiterbildungsangebot geschaffen, mit dem der erste Schritt zum nachhaltigen Unternehmenswandel gelingen kann: die XU School of Sustainability. Nachhaltigkeit kann man lernen – frei nach dem Motto: Wissen ist Macht. Denn mit umfassenden Sustainability Skills haben wir die Macht, die Innovationsfähigkeit von Unternehmen in diesem Bereich zu steigern und bisherige Hemmnisse endlich aus dem Weg zu räumen. Also, packen wir’s an!

[1] Accenture Survey mit 4,051 C-Level-Führungskräften in 13 Märkten im Oktober 2020