Sustainable IT: Diese Handlungsfelder müssen Unternehmen jetzt für eine nachhaltigere IT-Ausrichtung angehen
Im Zuge von Nachhaltigkeitsbemühungen setzen viele Unternehmen auf digitale Prozesse, reduzieren so im ersten Schritt Ressourcen und Emissionen. Das ist ein guter Anfang, für konsequenten Erfolg beim Thema Sustainability sollte jedoch auch die digitale Infrastruktur ins Visier genommen werden. Dafür braucht es Tiefenwissen über die tatsächlichen Auswirkungen und Potenziale des bestehenden IT-Setups – vom genutzten Software-Design über Hardware-Komponenten bis zu Hosting- und Cloud-Services. Welche Handlungsfelder in puncto Sustainable IT wichtig sind, habe ich hier aufgeschrieben.
Vor einigen Wochen hatte ich das Thema Nachhaltigkeit im IT-Sektor bereits adressiert: Die Branche steht zwar vor ganz ähnlichen Herausforderungen, wie es auch andere tun – Geschäftsmodelle, Produkte und das tägliche Handeln müssen im Sinne der Nachhaltigkeit grundlegend transformiert werden. Allerdings wird genau dieser Handlungsbedarf im Digitalbereich noch nicht von allen Akteur:innen konsequent genug beachtet. Das liegt mitunter daran, dass digitale Prozesse oftmals bereits als inhärent umweltfreundlich und ressourcenschonend wahrgenommen werden. Dabei unterschätzen viele Menschen, wie groß der tatsächliche Ressourcenbedarf digitaler Prozesse schon heute ist und mit kontinuierlichem Fortschritt der digitalen Transformation – den wir ja dringend brauchen – in der Zukunft sein wird: Prognosen zufolge könnte die Verarbeitung digitaler Daten bis 2040 immerhin ganze 14 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursachen und sich somit enorm schädlich auf Klima und Umwelt auswirken. Dem gilt es, frühzeitig entgegenzusteuern: Indem wir bereits heute unser Augenmerk auf die Handlungsfelder nachhaltigerer Digitalstrukturen lenken. Doch wo genau bestehen hier Potenziale?
Potenziale für mehr Nachhaltigkeit im IT-Sektor
Der Begriff „Sustainable IT“ bezeichnet eine umwelt- und nachhaltigkeitsorientierte Herangehensweise an die Entwicklung, Nutzung und Entsorgung von Computerhardware und Software-Anwendungen aber auch an die Gestaltung der begleitenden Geschäftsprozesse. Er erstreckt sich daher auch auf Aktivitäten im Zusammenhang mit einem achtsamen Ressourcenumgang entlang des gesamten IT-Wirtschaftskreislaufs: Dazu zählen etwa der verantwortungsvolle Abbau seltener Metalle, die zur Entwicklung von IT-Hardware benötigt werden, Wassereinsparungen in Prozessen und die generelle Anwendung der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft über den Lebenszyklus aller Produkte und Bereiche der Unternehmens-IT – einschließlich Benutzerhardware, Netzwerken und Kommunikationssystemen, Anwendungen und Daten sowie Cloud Computing.
Kurz gesagt: Im gesamten IT-Portfolio werden von Coding über die Produktion von Hardware bis zur täglichen Nutzung die genauen Auswirkungen auf Umwelt und Klima betrachtet. Im Sinne eines umfassenden Nachhaltigkeitsverständnisses (Vergleich 17 SDGs der Vereinten Nationen) sollten zudem auch Auswirkungen auf in der Produktions- und Lieferkette beteiligte Menschen mitbedacht werden – denn auch Fairness und gute Arbeitsbedingungen gehören untrennbar zu Sustainability. Ich denke, es wird also deutlich, dass hier viele Ansatzpunkte für Unternehmen warten, die sich einer nachhaltigeren IT-Ausrichtung annehmen wollen. Da liegt die Frage nahe: Warum sollten wir uns diese Mühe machen?
Nachhaltigeres, digitales Organisationsdesign: Hier liegen die Chancen von Sustainable IT
Nachhaltigkeit ist einer der wichtigsten Transformationstreiber unserer Zeit: Die Notwendigkeit für angepasste Geschäftsausrichtungen wird angesichts immer stärkerer Auswirkungen der Klimakrise auf Mensch, Umwelt und Wirtschaft immer deutlicher. Das Thema kann nicht ignoriert werden, wenn wir eine gerechtere Zukunft für alle ermöglichen wollen. Darüber hinaus wird den meisten Menschen immer klarer, dass es bei Nachhaltigkeit längst nicht nur um eine Moralfrage geht: Ressourcen sind endlich und müssen daher mit deutlich mehr Bedacht eingesetzt werden, als wir es bisher tun – das gilt in der IT-Welt genauso wie in der restlichen Wirtschaft. Eine Nachhaltigkeitsagenda gehört daher ohnehin auf den Plan jedes zukunftsorientierten Unternehmens.
Da die Bedeutung digitaler Lösungen in der gesamten Unternehmensorganisation immer wichtiger wird, müssen auch diese im Sinne der konsequenten Nachhaltigkeitstransformation gezielt ins Visier genommen werden. Sonst drohen Nachhaltigkeitsbemühungen früher oder später zu verebben. Nicht zuletzt sind auch die Effizienz- und Kostenauswirkungen einer nachhaltigen Digitalstrategie ein unschlagbares Argument: In Zeiten immer höherer Energiepreise sind Einsparungen in einem bisweilen ressourcenintensiven Arbeitsfeld mehr als nur eine gute Idee. Expert:innen von Capgemini prognostizieren im Zuge eines in diesem Jahr veröffentlichten Sustainable IT Reports, dass allein durch umweltfreundliche Produkte, weniger energieintensive Dienste und eine verantwortungsvolle IT-Politik Einsparungen von 20 bis 40 Prozent möglich seien. Das dürfte jede und jeden Executive überzeugen.
Vier wesentliche Aspekte einer nachhaltigeren IT-Ausrichtung
In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf vier Handlungsfelder eingehen, die Unternehmen und IT-Verantwortliche im Speziellen anpacken können, um sich nachhaltiger aufzustellen:
1. Sustainable Software Engineering: Vom Code bis zur Exekution nachhaltig
Eine große Chance liegt in der Analyse und Optimierung der von Unternehmen eingesetzten Software: Dafür ist es notwendig, dass die Entscheidungsträger:innen dieses Bereiches genau verstehen, welche Umweltauswirkungen die bisher genutzte Software-Architekur hat – wie effizient ist der Code, wie hoch ist die Kompatibilität für verschiedene Hardware-Voraussetzungen und wie steht es anhand dieser und weiterer Aspekte um die Emissionsbilanz der gesamten Architektur? Wer sich solchen Fragen stellt, kann Verbesserungspotenziale identifizieren und entsprechend nachhaltigere Einsatzentscheidungen treffen. Darauf aufbauend können klar lösungsbezogene Grundsätze rund um Nachhaltigkeit für die künftige, kontinuierliche Re-Evaluation des Softwareportfolios verabschiedet werden. Denn die initiale Bewertung ist ja erst der Anfang: In IT-Abteilungen sollte anhand des stetigen Fortschritts in puncto Effizienz und Umweltfreundlichkeit regelmäßig überprüft werden, ob die genutzte Architektur nach wie vor die beste Lösung für das Unternehmen ist. Hierbei kann die Bewertung allerdings nicht losgelöst von einer ganzheitlichen Unternehmensstrategie erfolgen: Das Ziel ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen, Agilität, der Einhaltung von Vorschriften und Nachhaltigkeit.
2. Sustainable IT Operations: Klimafreundliche, faire Hosting- und Cloud-Dienste
Um IT-Prozesse ganzheitlich nachhaltiger zu gestalten, lohnt auch der Blick auf weitere digitale Betriebsprozesse. Wie steht es etwa um die genutzten Hosting-Modelle für Webanwendungen und Cloud-Services: Welche Energien werden laut Anbieter für den Betrieb genutzt und wie hoch ist der Ressourcenverbrauch? Wo stehen die Server? Welcher Wert wird auf Fairness und Datentransparenz gelegt? Zwar fallen etwa Emissionen durch solche digitalen Dienste nicht direkt vor Ort im Unternehmen an und erscheinen daher auf den ersten Blick abstrakt, doch sie sind ähnlich wie die Auswirkungen einer Lieferkette direkter Einflussgeber auf die Nachhaltigkeitsbilanz der Organisation. Daher sollten Betriebsmodelle gezielt auf Nachhaltigkeitsaspekte untersucht und wenn nötig durch passendere Anbieter ersetzt werden. Diese sind vor allem im deutschsprachigen Raum immer leichter zu finden und geben transparente Auskunft über ihre Nachhaltigkeitsstrategie.
3. Mit Circular-IT-Strategien den Anteil von E-Waste im Unternehmen deutlich reduzieren
Beim Thema IT-Infrastruktur ist nicht zuletzt die Hardware ein großes Thema und mit ihr der entstehende sogenannte E-Waste, zu Deutsch: Elektroschrott. Denn die Menge an E-Waste droht durch immer kürzere Lebenslaufzyklen moderner Technik immer weiter zu steigen, wenn hier nicht konsequent gegengesteuert wird. Zur Illustration: Weltweit lag die Menge von E-Waste laut dem bereits zitierten Sustainable IT Report im Jahr 2019 Jahr bei unglaublichen 53,6 Millionen Tonnen und war demnach innerhalb von drei Jahren um über 20 Prozent gestiegen. Selbiger Report erfasste in diesem Zusammenhang die Anzahl der Recyclingbemühungen für IT-Hardware auf Unternehmensseite – mit dem erschreckenden Ergebnis, dass bislang ganze 89 Prozent der befragten Organisationen weniger als ein Zehntel ihrer Hardware zurück in den Ressourcenkreislauf geben. Hier geht also enorm viel Potenzial verloren – wahrscheinlich vor allem durch Unwissen! Denn Angebote gibt es zu Genüge: Nicht nur die gängigen Tech-Ausstatter selbst bieten meist Trade-in-Programme für Hardware-Komponenten aus dem IT-Bereich an. Es gibt sogar Anbieter, die sich darauf spezialisiert haben, noch hochwertige Hardware aus Unternehmensbeständen weiterzuvermitteln, wenn diese nach zwei oder drei Jahren einem Upgrade-Rundumschlag zu Opfer gefallen sind, obwohl sie noch einwandfrei laufen. Der Anbieter Circulee veranschaulicht, welchen positiven Einfluss solche zirkulären Angebote haben können: Nicht nur die Ressourcen für ein neues Gerät und hohe Neuanschaffungskosten, sondern auch jede Menge Emissionen könnten so eingespart werden. Ein einziger Monitor verursache in der Herstellung rund 420 Kilogramm CO2 – das entspreche den Emissionen von drei Inlandsflügen. Eine nachhaltige IT-Strategie sollte daher unbedingt eine möglichst langfristige Nutzung von Hardware, die Möglichkeit der Nutzung von Second-Life-Geräten und die passende Rückführung von nicht mehr nutzbarer Technik in den Ressourcenkreislauf einbeziehen.
4. Chancen erfolgreicher Verbindung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung nutzen
Neben der Reduktion möglicher negativer Auswirkungen spielen beim Set-up einer nachhaltigen IT-Infrastruktur nicht zuletzt auch Potenziale eine entscheidende Rolle: Gemeint ist damit, dass eine auf Anforderungen von Nachhaltigkeitsinitiativen vorbereitete IT-Ausrichtung, verschiedenste Unternehmensbereiche ganz gezielt bei der Transformation unterstützen kann. Das gilt beispielsweise bei der Datenerfassung und -auswertung rund um Treibhausgasemissionen: Digitale Daten schaffen hier die nötige Transparenz, die als Handlungsgrundlage für die Bewertung und Weiterentwicklung von Reduktionsstrategien für das gesamte Unternehmen oder dessen Teilbereiche dienen kann. In diesem Zusammenhang können sich IT-Verantwortliche fragen, wie technologiegestützte Lösungen die Reduzierung von Emissionen und Elektroschrott in anderen Geschäftsbereichen ermöglichen können. Oder auch welche Tools und Technologien sich dazu eignen, ökologische Innovationen und Verbesserungen in puncto Nachhaltigkeitsperformance vorantreiben. In jedem Fall wird eine langfristige, strategische Verzahnung von Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsstrategien unverzichtbar, um das Innovations- und Nachhaltigkeitspotenzial eines Unternehmens voll auszuschöpfen und gleichzeitig die Risiken der Digitalisierung für Mensch und Umwelt geeignet einzudämmen.
Abschließend bleibt mir dazu zu sagen: Mir ist klar, dass das Themengebiet Sustainable IT durchaus komplex ist und sehr viel neues Wissen erfordert, um bestehende Strukturen hinterfragen und neue, auf Sustainability zugeschnittene Antworten liefern und die Potenziale geeignet miteinander verquicken zu können. Damit ist die IT-Branche nicht allein, denn wir alle müssen beim Thema dazulernen und uns neue Kenntnisse aneignen. Unternehmen täten daher gut daran, ihren Mitarbeitenden über Weiterbildungs- und Schulungsangebote passendes neues Wissen und Fachkenntnisse für ihren Bereich – hier eben die IT – zugänglich zu machen. Die Angebote sind da und alle, die bei diesem Thema Unterstützung brauchen, sollen sie erhalten.